Indisches Eingewöhnen!
Jetzt ist Maisernte, am Strassenrand und auch auf der Strasse trocknen die Maiskörner an der Sonne. Wie wenn sie noch nicht genug schmal wäre. Ein fahrbarer Häcksler raspelt die Körner von den Kolben, daneben entsteht ein grosser Haufen von Blättern. Auch die Maisstängel sind entlang der Strasse aufgetürmt. Ob es wohl Kuhfutter für den Winter wird? Der Verkehr ist erneut hektisch und schlimm. Gleich am Morgen kommt uns ein LKW so nahe, dass ich uns schon im Himmel sehe. Die Fahrerei stresst mich extrem, ich muss auch noch den Co-Piloten spielen und ok zu den Überholmanövern geben.
Leute sind so viele unterwegs, die Frauen in Saris, der Lupensammler, Kinder, die am Strassenrand spielen oder mit einem einzigen Heft der Schule entgegenströmen. Männer mit Schaufeln stehen am Strassenrand und warten, bis sie jemand anstellt. Im nahen Flussufer müssen die Lastwagen von Hand mit Sand beladen werden. Dicke schwarze Sauen und Kühe schnüffeln in den Abfallhaufen. Leute sitzen am Strassenrand und warten auf irgendetwas – der Gefahr ihres Standortes überhaupt nicht bewusst.
Bei einem LKW Parkplatz machen wir eine Pause. Ein weiss gewandeter, grauhaariger Mann mit einem Pfürzi winkt uns zu sich. Hier schwingt der Ventilator, das ist ein guter Platz.
Der Tee kommt, der weiss gewandete Mann bringt uns Biscuits und fragt, ob wir Roti essen wollen. Ich muss mit ihm in die dunkle Küche, wo der Teig für die Roti parat liegt. Ja und Eier sollen wir auch noch essen. Ein wunderbares Mahl, mit Daal und einer Art Senf. Als wir zahlen wollen, winkt er ab. Er kann kaum englisch, doch wir verstehen sein sehr nettes Geschenk.
In Richtung grösserer Städte wird der Verkehr immer extrem hektisch. Das Güügeli von Paul ist ein klägliches Winseln gegenüber den schrillen, mehrklangigen indischen Hupen der Lastwagen und Busse. Wir fragen uns, wie viele LKWs in Indien wohl unterwegs sind. Zu Hunderten stehen sie am Abend und am Morgen vor den Toren der Städte, Urs nennt sie die rollenden Lagerhäuser.
Die Lasten der dreirädrigen Tata und Velotransporter erwürgen die Fahrzeuge beinahe. Wegen einer Höhenbeschränkung können wir nach einem Umweg von 100 Kilometern endlich den Ganges überqueren. Die Betonplatten der fünf Kilometer langen Brücke bewegen sich gefährlich und es schaukelt gespenstisch. Wir müssen warten und warten. Vor uns schiesst ein roter Betelstrahl aus dem Auto – ich kann mich immer noch nicht an diese widerliche Sache gewöhnen, die wie Blut aussieht. Die billige Volksdroge Betelnuss ist den roten und schlechten Zähnen nach extrem verbreitet. Der letzte Teil der Brücke wird schmal, denn ein Teil davon ist abgebrochen und ins Flussufer gestürzt. Ein Polizist treibt die Fahrzeuge auf eine Spur zusammen und nun bekommt auch Paul mit dem Bambusstöckli einen Schlag auf die Kühlerhaube, das mag Urs gar nicht.
Von Patna Richtung Varanasi an der N30 leben viele Bauern, die Hütten sind sehr einfach, manchmal aus Ziegel, die in dieser Gegend tonnenweise hergestellt werden. Doch irgendwie sehen die Häuser alle wie Baustellen aus.
Aus Kuhfladen mit Stroh vermischt formen die Frauen runde flache Kuchen, die am Strassenrand an der Sonne trocknen. Zu kunstvollen Türme aufgeschichtet, mit Stroh bedeckt, warten diese auf die Verwendung als Heizmittel.
Vor einem Checkpoint müssen wir wieder einmal zwei Stunden warten und es ist schon später Nachmittag. Jetzt kommen wir nicht mehr weit und wir müssen auf der Indian Oil Tankstelle zwischen all den Lastwagen übernachten. Die Matratzen sind heiss, das Thermometer in unserer Wohnbox zeigt 50 Grad. Es wird eine heisse Nacht, der Schweiss rinnt und rinnt. Am nächsten Morgen gibt ein öliger Mann mit Fettpresse und einem verbeulten Schmierkübel für 100 Rupien wieder einmal einen Vitaminstoss an Paul.
Mit viel Überwindung werfen auch wir unseren täglichen Abfallsack auf den Haufen. Vor den Dörfern qualmen die Abfallhaufen und verströmen einen widerlichen Geruch. An einer Barriere müssen wir den vorbeifahrenden Zug abwarten. Unglaublich, die Velo-, Motorradfahrer und Fussgänger zwängen sich unter der Barriere durch und wollen bis zur letzten Minute noch schnell auf die andere Seite kommen. Kein Wunder, muss der Zug bei jedem Übergang sein schrilles Horn dauernd in Betrieb nehmen.
Morgens früh in einer grösseren Stadt ist immer ein hektisches Treiben. Die Strassen werden gewischt, ein Mann wandert nackt herum, Melonen und Mangos türmen sich auf den Holzkarren zu Bergen auf, Gurken werden ausgebreitet, alle Welt scheint unterwegs zu sein. Wir fahren nun auf einer (verhältnismässig) guten Autobahn, zweispurig, richtungsgetrennt. Was jedoch nicht heisst, dass wir keinen Gegenverkehr und keine Löcher haben. Auch der Hirte mit seinen sicher 50 Geissen möchte die Strasse überqueren. Die Kühe kauen träge auf dem Mittelstreifen. Für diese Strassen muss Strassenzoll gezahlt werden. Immer wieder haben wir an den Zahlstellen Diskussionen, dass Paul kein LKW ist und wir keine Waren herumführen, die bezahlen einen anderen Preis. Mit der Zeit wissen wir, worauf wir schauen müssen.
Ab und zu machen wir Halt in einer Teehütte, wo sich die LKW-Fahrer treffen. Auf Holzpritschen sitzen sie zusammen, essen aus einem grossen Blechteller Roti mit Zwiebeln, Peperoncini und scharfer Sauce, füllen ihre Wasserflaschen auf, seifen sich in den Unterhosen am nahen Brunnen ein und waschen grad auch noch ihre Kleidung. Sie bestaunen natürlich immer unser Gefährt und mit Kauderwelsch findet sogar eine Unterhaltung statt. Wir trinken unseren Chai (Tee mit Milch und Zucker gekocht) und amüsieren uns über das Fremde. Den Tee immer schnell trinken, sonst gibts einen Pelz!!
Am Strassenrand winken immer Leute, um uns zu stoppen. Hier wird mit jedem Gefährt mitgefahren. Die Tata und Mahindra sind immer vollgestopft mit Leuten, Säcken und Taschen.
Für ein paar Rupien fahren sie von A nach B, allerdings wie eine Sardine und nicht sehr bequem. Der verbeulte und seitlich abgekratzte Linienbus sieht auch nicht besser aus. Immerhin kann man ihn an jeder Stelle aufhalten. Heute ist es zu heiss für die Polizisten mit dem Bambusstock, sie sitzen im Schatten und überlassen die Verkehrsregelung dem Schicksal. Wird schon gut kommen, auch wenn bei rot über die Kreuzung gefahren wird.
Wir sind froh, unfallfrei in Agra einzutreffen und hier vier Tage Fahrpause einzuschalten. Und dies ist der ersehnte erste Blick auf den berühmten Taj Mahal.
Hallo ihr zwei; aus Erfahrung können wir euch sagen,dass ihr einfach hinten und vorne an die Stossstange von Paul Chili und Zitrone hängen müsst. Das hält von Unfällen in Indien ab und beschert euch eine sichere und gute Fahrt.
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Sandra und Urs
Liebe Sandra, lieber Urs
Auch ihr seid an unserer Reise beteiligt? Danke für die Begleitung. Und den heissen Tipp mit Chili und Zitrone werden wir aufnehmen, sobald wir wieder einen Markt ansteuern. Das sind ja noch einfache Mittel, die es überall zu kaufen gibt. Nützts nünt, so schadts nünt!
Liebe Grüsse in die Heimat
Wir „reisen“ mit euch mit und staunen was ihr alles erlebt! Und deine Art zu Schreiben ist so wunderbar erfrischend Doris! Ich freue mich schon auf die nächsten Beiträge. Liebe Grüsse
Ihr Lieben, Ach wie schön ist es doch in der Schweiz, auch wenn es im Moment fast täglich, wie gerade jetzt regnet und es erst 20 Grad warm ist. Wir hoffen so sehr, dass ihr täglich gut an euer Ziel ankommt und euch keinen Schaden entsteht. Aber die Berichte sind nach wie vor Buchautoren reif. Bravo der Schriftstellerin…….und ohne einen super guten Chauffeur wäre das nicht möglich…
Knuddel Käthi und Max
Liebe Käthi, lieber Max
Also ab und zu hätte ich in den letzten Tagen gerne mit einem Stuhl an eurem Tisch getauscht. Nicht nur wegen den leckeren Sachen, die immer darauf stehen. Doch die Fahrt geht weiter und ich bin froh, dass ich nicht am Steuer sitzen muss. Mit meiner höflichen Fahrweise käme ich definitiv nie ans Ziel. Also Augen zu und durch ….. Im Moment gehts uns sehr gut – wir haben Fahrpause und Erholungszeit.
Ganz liebe Grüsse und ein paar heisse Sonnenstrahlen für den Pool, wir haben 46 Grad!
Liebe Doris, lieber Urs
Nun seid ihr bereits 2Jahre unterwegs und habt alle Hindernisse
und Unannehmlichkeiten super gemeistert.
Herzliche Gratulation.!!!!!!!!!
Von Indien kennen wir nur Delhi, Agra und Rajasthan.
Von den Temperaturen würden wir gerne die Hälfte
übernehmen.
Alles Gute und tolle Erlebnisse wünschen euch
Esther und Urs
Liebe Esther, lieber Urs
Die euch bekannten Indien-Destinationen genügen glaube ich sehr, um sich das indische Gequirle vorstellen zu können. Es hupt und wusselt – nach ein paar Tagen gewöhnt man sich schon ein bisschen daran. Jetzt tun die paar fahrfreien Tage gerade gut, um die Nerven etwas aufzupolieren. Danke für eure Wünsche und liebe Grüsse
liebe zwei
Das sind Geschichten! Reisegeschichten! Ich frage mich immer wieder, wie man das alles verarbeitet. Ein Erlebnis nach dem anderen und es bleibt keine Zeit, darüber nachzudenken… Myanmar war also ein kurzes Gastspiel, es macht nicht unbedingt Lust dahinzugehen. Meine Traumwelt Myanmar ist wie ein Kartenhaus zusammengebrochen ;–)) Aber bis ich dann einmal dahinkomme, ist bestimmt alles viel viel besser……
herzlichst aus Staad
Esther & Röby (…!)
Liebe Esther, lieber Röby
Ja das ist eine gute Ueberlegung und oft frage ich mich das auch. Ich glaube, das zehrt extrem an der Energie …. zum Glück kann ich noch ein bisschen darüber schreiben und so dies und jenes verarbeiten. Wir wären gerne länger in Myanmar geblieben, das Visum wäre für 28 Tage gültig gewesen. Doch mit dem vorgeschriebenen Begleittrupp hätte das unser Budget definitiv gesprengt. Immerhin haben wir einen Kurzeindruck gewonnen. Oh schade, dass ich dir deine Traumdestination zerstört habe ….. das Land und die Kultur sind sehr spannend, doch die jahrelange Abschottung von allem zeigt seine Wirkung in Vielem. Röby lacht gell und ist froh! Vielleicht gelingt es ja irgendwann doch noch :-)!
Herzliche Grüsse an den Bodensee