Erste Tage in Myanmar
Wir sind schon etwas kribbelig – heute geht es nach Myanmar. Die Ausreise aus Thailand mit allem Schreibkram schaffen wir in einer halben Stunde und wir können über die Brücke ins neue Land fahren. Da stehen sie schon am Strassenrand und winken uns zu – zwei, drei … nein vier warten auf uns (und schlussendlich sind es sechs …). Alle im Longhy! Das Gesetz, das neben dem Fremdenführer ein Abgeordneter des Hotel- und Tourismusministeriums ausländische Fahrzeuge begleiten muss, ist zwar vor zwei Wochen abgeschafft worden, doch wir haben die Reise vorher gebucht, also bleibt die alte Regelung.
Im Immigrationsbüro dürfen wir auf den Plastikstühlen Platz nehmen. Sechs Männer sind da drin, einer stempelt am Fensterschalter die Pässe, einer schläft, einer ist am Fotoapparat und Scanner, zwei spielen am Handy und einer ist mit uns beschäftigt. Das Einreiseformular muss noch ausgefüllt werden. Der uniformierte Beamte mit den glänzendschwarzen Haaren und den betelroten Zähnen ist ganz entzückt über meine Handschrift und zeigt das Formular überall herum, wie schön das geschrieben ist. Dann gehts weiter zum Passscan-Mann. Die Kamera ist mit Klebband auf einen schwarzen Locher fixiert, der auf der verstaubten Kameraverpackung steht. Nicht zu fest schmunzeln darüber, sonst wird das Foto nix. Thomas, unser Reiseführer führt einen dicken Stapel Papier mit sich herum. Unsere temporäre Autonummer 134/16 muss gut sichtbar an der Windschutzscheibe montiert sein. Das Warten bis die Passkopien auch noch gemacht sind, ist ganz unterhaltsam, Männer kommen herein, schwatzen miteinander, die Backe dick gefüllt mit Betelmasse. Durch den vielen Speichel, den diese Nuss beim Kauen produziert, reden sie ganz nuschelig.
Endlich können wir losfahren. Die Strasse ist ja super, Thomas erzählt uns, dass die Thailänder diese gebaut haben. Im Nachhinein lese ich, dass sie vorher in einem fürchterlichen Zustand war und nur wechselseitig pro Tag befahren werden konnte. Wir fahren an der Autowaschstrasse vorbei, ja wirklich, das Wasser wird vom nahen Fluss hinaufgepumpt und ein Auto nach dem andern steht eingeseift an der Strasse. Viele Checkpoints folgen, Militär auf Lastwagen mit einer ganzen Lagereinrichtung ist unterwegs. Hinten sitzen zwei mit dem Gewehr im Anschlag. Etwas mulmig, dieser Blick ins Rohr, wenn wir nicht gerade überholen können. Eine schwarze Sau wird auf dem Gepäckträger des Töfflis im geflochtenen Bambuskorb transportiert.
Am Abend können wir als Touristen im Reisebus nach Hpa-An fahren und einige Sehenswürdigkeiten besichtigen. In Myanmar zieht man bereits im Hof der Tempelanlage die Schuhe aus – unsere Füsse starren oft vor Dreck.
Von einem Balkon der Pagode haben wir einen perfekten Ausblick auf den Fluss, eine Frau wäscht ihre Kleider im braunen Wasser, ein Mann badet und immer wieder taucht sein Kopf unter. Schmale Boote warten am Ufer, ein Boot kommt vollbeladen mit Mangos und Bananen daher.
Wir wollen den Goldenen Felsen besuchen. Da wartet auch schon der Tourist Polizist auf uns, der Tourismusoffizier muss natürlich ein Schwätzchen mit ihm halten. In einem überdachten Busbahnhof warten die Lastwagen, die auf der Ladefläche mit schmalen Sitzbänken ausgerüstet sind. Je sechs Personen auf einer Reihe, es wird gequetscht und gedrückt. 2500 Kyat haben wir zu bezahlen, die Lebensversicherung ist eingeschlossen. Weswegen sehen wir erst später, die Strasse geht wirklich kriminell den Berg hinauf auf 1000 Meter Höhe. Es riecht nach Schweiss, altem Wasser und Tigerbalsam – die Frau vor mir hat ein Pflaster am Hals kleben. Und es ist heiss, zum Glück haben wir den Hut dabei. Die kurvenreiche Strasse hat es in sich, in den hinteren Reihen muss bereits eine Frau über den Lastwagenrand erbrechen.
Oben angekommen beginnt der Spaziergang zum Goldenen Felsen, der dank einem Haar von Buddha in Balance gehalten werden soll. Wer zu müde oder zu matt zum Laufen ist, kann sich in einer Sänfte von vier Männern dahin tragen lassen. Wir glauben es fast nicht, immer wieder laufen sie an uns vorbei. Unser Minister (und damit auch wir) werden schon wieder von der Tourist Police erwartet. Lange vor dem Felsen müssen wir die Schuhe deponieren, das ist heiss, die Fusssohlen brennen wie Kohle. Jetzt müssen wir auch noch Eintritt zahlen – natürlich nur die Ausländer. Zum Felsen hin dürfen nur die Männer, Goldplättchen daran kleben natürlich auch nur sie. Einer hält ehrfürchtig seine Hand daran, ein anderer liegt fast unter der Granitkugel.
Trotz der Hitze sind erstaunlich viele einheimische Touristen hier. Ab und zu weht ein herrliches Lüftchen. Jetzt ist Fotosession mit der Tourist Police – er hat scheinbar hohen Besuch mit uns. Überhaupt sind wir intensiv beobachtete Exoten hier. Doch die Menschen lächeln uns freundlich zu, während dem sie uns mit grossen Augen begutachten. Die Fahrt vom Berg hinunter dürfen wir in der LKW-Kabine mitmachen – das kostet allerdings mehr. Also hinten sah es definitiv nicht so gefährlich aus. Doch mit diesem Fahrer kann nichts schiefgehen, er hat die Backe voller Betel. Heute sind wir scheinbar ein bisschen zu lange unterwegs, die Touristenpolizei sucht uns bereits. Zum Glück ist das nicht unser Problem.
Immer wieder müssen wir an einem Strassenzoll halten und Strassengebühren bezahlen. Das erledigt unser Vorausfahrzeug und wir werden durchgewunken. An einer Zahlstelle geht plötzlich die Schranke herunter und sie knallt gegen unsere Windschutzscheibe. Zum Glück passiert nichts, sie ist aus Kunststoff. Ab jetzt müssen wir immer schön warten, bis sich die Barriere senkt und wieder öffnet.
Am Strassenrand türmen sich Reissäcke, von Hand geformte Ziegel und in Dorf- oder Stadtnähe ist immer ein hektischer Verkehr von Velo-, Moped-, Sammeltaxifahrern. Mir tun die Velorikscha-Fahrer leid, die in ihrem Veloseitenwagen mindestens zwei Personen transportieren. Geht es bergauf, müssen sie den fahrbaren Untersatz mit der übergewichtigen Mama darin stossen. Die Mönche tragen in Myanmar bordeauxrote Roben und die Nonnen kleiden sich in rosa und orange Stoffbahnen. Auch sie haben ein kahl geschorenes Haupt, – vor der Sonne schützen sie sich mit einer Art Fächer aus Bambus und sie sind barfuss unterwegs. Wir sehen sehr viel Baustoff aus der Natur, dicke Bambusstangen, Palmendachgeflechte, Holzlatten in allen Längen und Dicken. Die Töffli fahren mit seitlichen Gepäckträgern aus Bambusgeflecht, die meistens übervoll sind. Beim Strassenbau geht es vorsinntflutlich und dadurch sehr langsam vorwärts. Frauen tragen den Kies in Bambuskörbchen zum Ort des Geschehens, daneben wird in einem Fass der Teer erhitzt und von Hand ausgegossen. Es wimmelt von Menschen, die neben der Hitze des Tages auch noch die des Teers aushalten müssen.
Seit 1970 herrscht in Myanmar Rechtsverkehr. Ein Wahrsager hat dem damaligen Machthaber ein besseres Karma versprochen, wenn er das Land von links nach rechts bewege. Und von einem Tag auf den anderen wurde das umgesetzt. Auch heute noch sind die Mehrheit der Autos jedoch rechtsgesteuert. Für die Überholmanöver nicht immer einfach. Es herrscht ein Blinksystem, das wir immer noch nicht richtig verstehen. Bei Gegenverkehr wird rechts geblinkt, vor einer Kreuzung mit dem Warnblinker, überholt wird mit dem linken Blinker. Und manche sind ständig am Blinken.