Die alte Königsstadt
Die lange Fahrt zurück an die Hauptstrasse 13 beginnt. Zum Glück sind auf dieser Wegstrecke nicht so viele LKWs auf der Strasse. Die sich türmenden Erdhügel neben der Strasse haben die Farbe von Beaujolais auf einem weissen Tischtuch. Kuhherden sind auf dem Weg zu spärlichen Futterstellen, dicke schwarze Schweine schnüffeln zwischen den Häusern nach Fressbarem. Frauen flechten am Boden sitzend Schilfmatten, die als Dachabdeckung nützlich sind. Junge Ananasplantagen wachsen auf kürzlich gerodeten Steilhängen. Die Ernte muss einem Bergstrecken-Marathon gleichen. Nach der Kreuzung in Phou Khoun geht es dann schon schlimmer vorwärts. Die Strassen sind kurvig, der Teer aufgeweicht, die Steigungen anstrengend. Wir erreichen 1500 Meter, kommen wieder auf 400 Meter hinunter und wieder hoch auf 1100 Meter. Die Häuser kleben zwischen Strassenrand und steilem Abgrund. Ein Mädchen hält ein paar Ratten am Schwanz in die Höhe – ja die sind zu kaufen. Viele schwer beladene LKWs sind Richtung China unterwegs, die Grenze ist nur noch 300 Kilometer entfernt. Heute hängt die rote Fahne mit Sichel und Hammer an den Häusern. Auch extrem viele Soldaten oder Zivilisten sind mit Gewehr unterwegs. Wir können nicht zuordnen, was los ist. Vielleicht bereits ein Vorzeichen des Tags der Laotischen Revolutionären Volkspartei, der am 22. März gefeiert wird?
Der Babyboom in Laos ist auffällig. Fast keine Frau, die nicht ein Kind auf dem Rücken trägt. Mit 2.3 Prozent hat Laos eine der grössten Bevölkerungswachstumsraten der Welt. Mehr als zwei Drittel der Einwohner sind jünger als 25 Jahre. Eindrücklich ist das auf der Fahrt durch ländliche Gegenden zu sehen. Viele Vorschulkinder spielen am Strassenrand, die Mädchen tragen die Geschwister auf dem Rücken, in gespenstischer Nähe rasen die schweren Lastwagen am Haus vorbei.
Endlich, endlich treffen wir nach langen sechseinhalb Fahrstunden in Luang Prabang – der alten Königsresidenz ein. Das religiöse und kulturelle Zentrum Laos, von vielen als Museum ohne Mauern bezeichnet, ist geprägt von traditionellen Gebäuden, Kolonialarchitektur und mehr als 30 Tempeln und Klöstern, in denen 700 Mönchen und 1000 Novizen wohnen.
Und wirklich – es geht ein fernöstlicher Zauber von dieser Stadt am Mekong aus. Was sich seit 1994 – seit der Öffnung für den Tourismus – alles entwickelt hat, ist erstaunlich. Zum Glück steht die Stadt unter UNESCO Weltkulturerbe, so geschehen die Renovationen sanft, situationsangepasst. Die Chinesen wären sicher schnell zur Stelle mit gigantischen Investitionsvorhaben. Nun findet sich in der Altstadt in jedem zweiten Haus ein Guesthouse mit ein paar Zimmern, gediegene, kleine Hotels mit versteckten grünen Gartenoasen und lauschige Gassen warten auf Entdeckung .
Eine besonders eindrückliche Szene ist der allmorgendliche Almosengang der Mönche. Beim ersten Hahnenschrei ertönen sanfte Klänge vom Gong aus dem nahen Kloster, es ist vier Uhr – der Weckruf. Der Tag erwacht, auf der Strasse sitzen die Frauen mit ihrem Reisbambuskörbchen und warten. Dann zeichnen sich in der Ferne die leuchtend orangen Gewänder der Mönche ab. Sie halten ihre silberfarbige Essenschüssel in der rechten Hand und die Frauen geben jedem vorbeiziehenden Mönch etwas von ihrem Klebreis. Manchmal bekommen sie auch Süssigkeiten, doch das wird nicht gerne gesehen, – die Mönche werden zu dick. Tempelweise ziehen die Mönche vorbei, machen barfuss ihre Runde und sammeln ihr Essen ein.
Sie bedanken sich nicht für die Gaben, denn für die Gebenden ist es eine Ehre, den verehrten und geachteten Gläubigen etwas Gutes zu tun. Damit können sie ihr Karma in diesem Leben verbessern. Die Mönche essen nur einmal am Tag. In vielen Klöstern existieren Schulen für Englisch, die heilige Sprache Pali, Naturwissenschaften, Mathematik und auch Kunsthandwerk wie Bildhauer, Maler, Töpfer, Steinmetz. So leisten sie einen Beitrag zur Erschaffung neuer und Instandhaltung der bestehenden Heiligtümer.
Mit Verena und Wolfi aus Kärnten, die seit drei Jahren mit ihrem Mercedes LKW unterwegs sind, verbringen wir einen gemütlichen Abend am Mekong und wir lachen viel. Sie reisen demnächst über China Richtung Österreich weiter. Beim Morgenessen in unserer Villa Lotus lernen wir Sivani aus Zürich kennen und staunen über ihre spannenden Reisegeschichten mit allerhand ZUfällen.