Freud und Leid …. nahe beisammen

Urs erholt sich täglich und ich freue mich an seiner wiedererwachten Gesundheit. Wie nahe doch alles beisammen liegt. Allerdings können wir uns trotz Ausflügen in die Stadt und Erkundigungen da und dort nicht verkneifen, böse Gedanken zu Paul ins Spiel zu bringen. Was ist, wenn der Container aufgebrochen wurde? Alles ausgeraubt und in Stücke zerlegt? Wir scheuen diese Gedanken immer schnell wieder fort, doch Resthorrorszenarien bleiben trotz positiver Einstellung bestehen. Frohen Mutes können wir irgendwie nicht sein. Wir tafeln bei Gathemann, im Weinberg und im la bonne réstaurant – alles gut und recht und manchmal fast ein bisschen unwirklich.

K1024_La bonne table (2)

Wenn nur das latente Gefühl  von «Haben wir alles verloren?» uns nicht immer einholen würde. Zu allem Überfluss gibt es hier einen Wein, der so heisst. Und diese Menschen, die ihr Weingut so getauft haben, müssen sehr wahrscheinlich in einer weit misslicheren Lage gewesen sein als wir.

Wir statten dem Bahnhof einen Besuch ab, alles liegt in jahrhundertealter Ruhe, kein Zug weit und breit.

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Am Horizont ist eine riesige Rauchwolke zu sehen, am Tag danach lesen wir im Allgemeinen Anzeiger (die deutsche Zeitung hier), dass vom Steppenbrand auch eine Farm betroffen wurde. Auch wieder ein Zeichen, dass wir es ja noch sehr! gut haben.

Am Samstag am Greenmarket füllen wir unsere Wochenvorräte auf mit Gemüse, geräuchertem Wildfleisch, Vollkornbrot und allerlei Käse. Hier treffen wir drei sehr nette, ältere Namibia-Deutsche. Urs erzählt unsere Geschichte und Werner notiert sofort unsere Telefonnummer und will uns eine Wohnung und einen Sachverständigen im Hafen vermitteln. Tatsächlich ruft er zwei Tage später an. Wir sind wohl noch in Afrika, doch es gibt sie noch, die verlässlichen Leute. Die Wohnung ist dann allerdings nicht so ideal. Doch Eddi, der Spezialist im Hafen von Walvis Bay setzt alle Hebel in Bewegung, um unseren Container ausfindig zu machen. Gleichzeitig macht eine Sachbearbeiterin der schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft, an die wir ein Hilfe-Mail geschrieben haben, ihrer Kollegin in Cotonou Druck. Auf einmal geht etwas! Was für gute Nachrichten, der Container steht immer noch im Hafen von Cotonou. Er soll Benin um den 20. September herum auf einem Containerschiff verlassen. Vielleicht trifft er im Oktober in Namibia ein.

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In diese wilden Abklärungen zwischen der Schweiz, Walvis Bay, Cotonou trifft uns die Nachricht vom Tod eines sehr nahe stehenden Freundes in der Schweiz mit grosser Wucht. Wir sind fassungslos und so handlungsunfähig. Und ich kann meiner Freundin Laura von so weit weg nicht wie gewollt beistehen. Es bleiben Tränen, Trauer und Schmerz. Wir versuchen, im botanischen Garten auf andere Gedanken zu kommen, denn Menschen können wir im Moment nicht ertragen. Auf dürren Pfaden, mit silberglitzernden, flachen Steinen ausgelegt, laufen wir in uns eingekehrt, versunken in die gemeinsamen Erinnerungen mit Rainer, hügelauf und hügelab.

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Hier ist die brach liegende Winternatur im Umbruch, überall spriessen die Wollknäuel der Dornakazien, die fetten Flaschenbäume erhalten neue Triebe. Am Ende unserer Wanderung bleibt auf den Zehen ein märchenhaft funkelnder Silberglanz hängen.

«Unvergänglich ist eigentlich nur die Natur», schrieb schon Hannah Arendt.

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