100 Tage

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Was Politikern zusteht, sollte auch Reisenden nicht vorenthalten sein: der 100 Tage-Rückblick. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, seit wir an jenem verregneten Dienstagmorgen Richtung Westen aufgebrochen sind. Eines ist sicher: reisen ist anstrengend. Wohl können wir unsere Tage einteilen, mal schneller unterwegs sein oder an einem Ort bleiben. Oft müssen wir uns den Gegebenheiten von Wetter, Örtlich- und Gesetzmässigkeiten anpassen.

K1024_Senegal-Dorf   K1024_Kalb

Campingleben

Übernachten in der freien Natur ist am Schönsten. Wo immer möglich suchen wir einen Ort hinter Bäumen und Büschen, um etwas Privatsphäre zu haben. Besucher sind nicht ausgeschlossen, doch alle begrüssen uns immer sehr freundlich, heissen uns willkommen und sind natürlich neugierig, was wir da machen. Wenn Tisch und Campingstühle stehen, ist Zeit für den Camp-up-Drink. Wir strecken die Beine, geniessen die Ruhe (wenn uns die Fliegen und Mücken nicht zu fest plagen), uff wieder eine Strecke geschafft.  Und schon geht’s ans Kochen. Bis jetzt sind meine Kochkünste recht dürftig. Nach einem langen Reisetag mag ich gar nicht mehr was weiss ich was aus der Pfanne zaubern. Doch gut schmeckt es immer – Spaghetti  in allen Variationen (je nach verfügbaren Zutaten), Eier- oder Bohnensalat, Gemüsereis, Rösti mit Spiegelei. Nur Chäshörnli koche ich nie mehr. Gut waren sie, doch das Abwaschen war ein Graus und hat mir ein Abwaschbeseli ruiniert. Seit unsere Aussendusche installiert ist, können wir auch unter freiem Himmel duschen. An das kalte Wasser habe ich mich inzwischen gewöhnt, das härtet ab! Das Wasserfüllen ist manchmal etwas schwierig, bis jetzt haben wir immer aus  5 bis 20 Liter Kanister Trinkwasser nachgefüllt und sind dementsprechend sparsam mit dem Umgang. Für den WC-Gang sind wir mit Schaufel, WC-Papier und Zündhölzer unterwegs. So bleiben jeweils keine Spuren von uns zurück. Bis jetzt ist unser Badezimmer in der Wohnbox immer noch eiserne Reserve, wenn gar nichts mehr geht.

K1024_Seerose nah   K1024_keine Morchel

Das Waschen gestaltet sich schwierig, da an wenigen Orten fliessend Wasser vorhanden ist. Die Frauen waschen ihre Kleider in einem Fluss oder in den Wasserlachen des Regens. Wenn ich etwas finde, wasche ich gerne und das von Hand. Als mir das in Fès ein Mann gesagt hat, habe ich ihn noch ausgelacht, jetzt bin ich froh, wenn ich einfach eine Gelegenheit zum Waschen finde. Oft bleibt mir nur noch die Wäscherei in den Hotels übrig – je nach Lage bezahlen wir  dafür den Monatslohn eines Arbeiters.

Menschen

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Auf der ganzen Reise liebe ich es, die Kleider der Leute zu beobachten, von den Djellabahs der Saharamenschen, den wallenden BouBou bis zu den farbenprächtigen, bunt gemusterten Stoffen der Schwarzafrikaner. Mit den lustigsten Motiven sind die Männer mit Hose und langem Hemd bekleidet: bunte Schmetterlinge auf violettem Grund, rosarote Maschen auf grünem Stoff, afrikanische Muster – Hauptsache bunt. Nördlich tragen die Frauen ihr Haar unter einem lustigen Tuch versteckt, mit vorwitzigen Laschen, im selben Stoff wie das Kleid. Südlicher kommen die Haare in ihrer ganzen Pracht zur Geltung. Was für Frisuren: eingearbeitete (falsche Zopfstreifen), glatte gestylte Wellen, blonde und rote Färbungen. Sie müssen eine Menge ausgeben für ihr gutes Aussehen. Die Mädchen tragen vor allem in Burkina Faso bunte Schnallen, Perlen oder Maschen an ihren Zöpfchen. Herzig sehen sie aus.

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Auf dem Land haben wir immer sehr hilfsbereite, neugierige und freundlich-fröhliche Menschen getroffen. Sie schätzen es, einen Schwatz zu halten, obwohl wir wahrscheinlich nicht alles voneinander verstehen. Wir beide bevorzugen das Landleben und meiden wenn immer möglich den Rummel der Grossstadt. Überall Verfolgung auf Schitt und Tritt und die Verwicklung in ein Gespräch,  das auf Geschäftemacherei hinausläuft. Es geht um Entdeckungstouren, um Unterkunft, um Taxifahrten, um Läden wo es etwas günstig zu kaufen gibt, um Hilfsprojekte für Kinder und Behinderte etc. Immer am Reden, sich erklären müssen, am abwinken, am bestimmt sein und das wenn möglich immer höflich. Sonst landet man in der Schublade der Rassisten. In den Städten begegnet man auch der sogenannt «besseren» Schicht, die sich jedoch sehr viel arrogant, unhöflich und einfach dégoûtant verhält. Sie stellen ihren Reichtum mit schlechten Manieren zur Schau, behandeln ihre Landsleute wie Abschaum, wir Weisse werden negiert.

 

Paul und die Strassen

Die Strassen verlieren an Komfort, je südlicher wir reisen. Auch in den grossen Städten – sogar Landeshauptstädten – sind nur die Hauptachsen geteert. Daneben Sandpisten mit Steinen übersät oder Mulden zum Versinken. Über Land befinden sich sogar die  Hauptverbindungsstrassen in schrecklichem Zustand. Riesengrosse Löcher tun sich plötzlich auf oder der Teerbelag wird von einer Sandpiste unterbrochen.

K1024_Faltenwurf   K1024_Bahntrassee südlich (2)

Die vielen chinesischen Baufirmen, die im Strassenbau tätig sind, werden wohl noch Jahrzehnte Arbeit haben. Natürlich hat auch Paul unter diesen Zuständen zu leiden, es ächzen die Blattfedern und es rüttelt oft haarsträubend. Doch er schnurrt sehr friedlich vor sich hin, hat uns noch nie stehenlassen und ist uns ein guter Begleiter. Von einem dicken Ast hat die Wohnbox eine rechte Beule bekommen, das Rücklicht ist bei der Fahrt durch ein grosses Loch beschädigt, ein Steinschlag hat die Scheibe markiert, die hinteren Pneus sehen schon etwas lädiert aus, doch sonst sind wir gut davon gekommen. Zwei Bussen, keine grösseren Schäden, kein Unfall, kein Überfall. Wir klopfen Holz. Jetzt kommen halt noch die Schäden vom Verlad in den Container dazu, doch auch das werden wir wieder hinbekommen.

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Fazit

Reisen ist erkenntnisreich, kostet Nerven, bringt jeden Tag neue Farben ins Leben.

Reisen ist Bereicherung, Lebensschule und Geduldsprobe.

Reisen ist ermüdend, lustig und holperig.

Reisen ist Bewährungsprobe (als Paar), verbindend und  einmalig.

Reisen ist die Strapaze wert! Doch nicht alles möchten wir ein zweites Mal erleben.

K1024_Blauer Vogel gelbe Wand

Auf unseren 100. Tag hätten wir gerne an einem Lagerfeuer in der freien Natur angestossen, zwangsläufig müssen wir das jetzt in einem sterilen Hotelzimmer machen. Doch eine Erlösung ist ja in Sicht.

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