Über den Gambia River
Es geht los Richtung Gambia. Bei mir bleibt ein etwas mulmiges Gefühl wegen der Grenze. Wir werden bei der Ausreise zwar umzingelt, doch es gelingt in kurzer Zeit, die drei Büros zu passieren. Lange anstehen muss ich auch nicht. Das Carnet de passage wird auch rechtmässig abgestempelt (obwohl wir das Papier «passavant» ohne zu verlängern vernichtet haben) – alles hat wieder seine Ordnung. Beim Polizisten im Büro hängt einer oben nackt an den Gitterstäben, gleich neben seinem Pult werden sie eingebuchtet. Die Grenze zu Gambia ist anschliessend, ein Riesenumlad und viele Leute sind in den klapprigsten Kisten unterwegs. Die vier Büros schaffe ich relativ schnell und sogar ohne zu zahlen. Auch hier steht im Durchgang ein Käfig, in dem einer auf dem blanken Boden liegt, wenigstens hat er noch Wasser. Doch zu früh gefreut, jetzt kommt der Fahnder und untersucht unser Auto eine ganze Stunde lang. Beim Teebaumöl will er wissen, was da drin ist, warum Gift drauf steht, meinen spagyrischen Spray gegen Reisekrankheit muss ich ihm im Detail erklären. Doch Urs wickelt das mit ihm zusammen in aller Ruhe im Häuschen drinnen ab, obwohl mir schon draussen der Schweiss in Strömen herunterläuft. Er sucht Drogen und Waffen. Ok – nichts gefunden wir können weiterfahren. Einer gibt mir noch den Tipp, dass jetzt alles in Ordnung ist, wir frei in Gambia herumfahren können und ich ihn anrufen soll, wenn es Probleme gibt. Kurz darauf die erste Polizeikontrolle. Der Polizist sieht das rote Etui mit dem Feuerwehrsackmesser von Urs. Er muss es ihm erklären und dann will er das Messer gleich als Geschenk haben. Ich zücke mein Handy und erkläre, dass ich gleich den Zoll anrufe, da wird er gerade ein bisschen netter und lässt uns passieren.
Nach ca. 20 Kilometer erreichen wir Barra – den Fährhafen, um den Gambia River in die Hauptstadt Banjul zu überqueren. Wir fahren bis ans Gitter vor, und werden dort mit wilden Gesten gleich wieder zurückgeschickt. Zuhinterst müssen wir uns in die wartende Kolonne einreihen. Vor uns sicher 20 Fahrzeuge, meist Lastwagen. Da kommt doch auch schon einer, der mir hilft, das Billet zu kaufen, dann bringt er uns in eine «Bar». Die Getränke sind warm, sie haben seit drei Tagen keinen Strom und können kein Eis machen. Unser guide trinkt auch mit. Ramadan? Nein heute hat er Magenschmerzen, da muss er nicht fasten. Zu zehnt sitzen sie um uns herum, jeder will etwas wissen. Auf unsere Mückenstiche an den Beinen aufmerksam geworden, erklären sie gleich, wie gefährlich das ist. Schwups kommt einer daher mit den entsprechenden Mitteln, vorher, nachher und das in zweifacher Ausführung. Die Pharmaindustrie hätte die grösste Freude an diesen Preisen. Nein die Medikamente kann er nicht mehr zurückgeben, ich muss sie bezahlen. Ein langes Hin- und Her um den Preis, bis ich wahrscheinlich dennoch das Vierfache wie Einheimische bezahle. Irgendwann wird es mir mit dem Handeln und Diskutieren zu mühsam, ich will nur noch meine Ruhe haben. Diese Taktik nützen sie schamlos aus und immer helfen sie uns ja aus vollem Herzen und mit Gott vor Auge. Wir gehen wieder ins Auto zurück, warten und warten. Unsere Kleider sind nassgeschwitzt. Zu beobachten gibt es viel: Frauen mit allerlei Verkaufbarem auf dem Kopf, Warenumlad, Menschen, die hin und her strömen. Immer wieder kommen Leute an unsere Scheiben, hängen sich hinein und schwatzen oder wollen etwas verkaufen. Manchmal gibt es wirklich witzige Unterhaltung. Schade, gerade jetzt gibt unser kleiner Fotoapparat den Geist auf :-(! Er hat wohl auch zu war. Suleyman – der guide – kommt wieder, ich soll mit ihm zum Gitter kommen. Der Fährenwachmann lässt sich zu nichts erweichen. Die Nerven liegen scheinbar blank, ein Lastwagenchauffeur kommt so in Rage, dass eine ganze Truppe Leute zusammensteht, um ihn zu beruhigen. Suleyman versucht es bei seinem Onkel, der uns helfen soll, ein paar Autos weiter nach vorne einschleusen zu können. Er ruft uns dann, sobald es soweit ist. Jetzt will Sulayman seinen Lohn für seine Bemühungen. Neben Geld geben wir ihm ein Päckli Zigaretten. Wenigstens lässt er seine Kumpels gerade mitrauchen. Nach fünf Stunden Warten können wir in das Terminal einfahren, das ist ein sandiger Fahrstreifen auf dem zwei Autos nebeneinander Platz finden, links und rechts eine zwei Meter hohe Mauer, oben mit rostigem, etwas zerfallenem Stacheldraht. Auto an Auto an LKW. Wir müssen unsere Namen auf einem Fetzen Papier eintragen. Nach einer weiteren Stunde – mittlerweile ist es abends um sechs – gehe ich zum Onkel und erkundige die Lage.
Ob ich ihm etwas bezahle, fragt er. Ich mache ihm klar, dass wir draussen schon bezahlt haben und der guide uns seine Möglichkeiten als Onkel in Aussicht gestellt hat. Er wird wütend. Der Junge draussen sei ein bumster, er arbeite nicht hier, mache schlechte Geschäfte mit den Touristen und sein Onkel ist er auch nicht. Ok, ich biete ihm 5000 CFA, wenn wir noch heute mit der Fähre übersetzen können. Ja, ja, er schaut. Suleyman kommt doch tatsächlich wieder vorbei, ich bin wütend und mache ihm klar, dass er mir Märchen erzählt hat. Dass ich nicht immer zahlen will, nur weil ich eine weisse Haut habe. Er macht alles von Herzen und für unsere Freude und für Gott. Ja, ja. Da kommt auch der Onkel angeschlurft – jetzt nennt er ihn baba – und es gibt einen grossen Streit zwischen ihnen an unserem Autofenster. Zum Glück müssen wir nicht neben der Toilette halten, da drauf kann ich wirklich nicht, mich haut der Gestank gleich wieder hinaus. Die Fähre legt an – ein Riesenstrom von Menschen kommt uns entgegen mit allerhand auf dem Kopf. Einer trägt sogar eine Automotorhaube. Es kommt Bewegung in die Autoschlange, eine Hektik bricht aus, alle wollen drauf. Im Auto vor uns machen sich zwei Männer und zwei kleine Mädchen als Fussgänger auf den Weg zur Fähre, der Fahrer bleibt zurück. Das ist ein schlechtes Zeichen. 19.10 Uhr – die letzte Fähre, fünf Autos vor uns geht das Tor zu. Wir sind ja noch in der komfortablen Lage, dass wir unser Bett dabei haben. Und schon steht Suleyman wieder neben uns, er riecht weiteres Geschäft. Draussen essen wir auf einem Bänkli scharfen Reis mit Fleisch, den eine dicke Mama auf einem Holzkohleöfeli gekocht hat. Unser hartnäckiger Verfolger holt uns ein Bier – für sich gerade auch noch eins. Und einen Teller Reis will er auch noch haben. Er kann meinen leer essen. So gross ist dann sein Hunger doch nicht, denn er fischt nur die Fleischstücke heraus. Morgen geht er wieder zur Schule – angeblich in die Universität, ob ich ihm dafür etwas Geld geben kann. Jetzt ist aber Schluss!
Mit einer Flasche Wasser machen wir zwischen Wand und Auto eine Kurzdusche, waschen uns den Schweiss von sieben Stunden Warterei ab. Irgendetwas stimmt mit unserer Wasserpumpe nicht, so können wir leider die Aussendusche nicht benützen. Im Morgengrauen singt der Muezzin den melodiösen Gesang des Gebetes, wie ein Schlaflied. In Senegal und Gambia tönt der Ruf aus dem Minarett weicher und lieblicher. Neben den Autos und LKW geht die Morgentoilette los, die meisten pissen an die Wand. Die auf sieben Uhr angekündigte Fähre kommt fast pünktlich um 7.30 Uhr. Einige die an uns vorbeilaufen, kennen uns noch von gestern. Was macht ihr denn noch hier? Ja das möchten wir auch wissen.
Es herrscht ein arges Gedränge auf der Fähre.
Frauen mit Kindern im Tuch, riesige Becken auf ihren Köpfen, alles benützen sie als Abstell- oder Sitzfläche. Was müssen sie jeden Tag für einen Überlebenskampf absolvieren, denn schlussendlich geht es darum, auf dem Markt ein paar Dalasi zu verdienen.