Über Land nach Dakar

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Zeit zum Aufbruch – wir verlassen die Idylle der Zebrabar. Urs hat ein dick geschwollenes Auge. Zwei Bienen haben ihn in die Nase gestochen. Er hat Martin geholfen, einen wilden Bienenschwarm vom Baum einzufangen. Sie zimmern ein Bienenhäuschen, verpflanzen den Schwarm nach einem Tag dorthin und am nächsten Tag sind die Viecher wieder draussen. Der Fang findet also nochmals statt und das ist bestimmt die bittere Rache.

Auf der Karte ist die Desert de Lampoul als sehenswerter Ort eingezeichnet. Es hat wohl ein paar rosa Dünen, doch sonst ist nichts Spektakuläres zu entdecken – ausser die ersten Baobabs natürlich. Wir fahren bis ans Meer, ein Chaos da. Eine Markthalle, die als Verkaufsmöglichkeit für Gemüse, Früchte und Fisch dient.

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Überall Müll, soweit das Auge reicht. Auf der anderen Seite die Fischtrocknungsanlage. Auf metallenen Gitterrosten sind Haufen von gesalzenen Fischen ausgelegt, die an der Sonne trocknen. Mal schön in Reih und Glied, damit sie auch wirklich trocknen und dann wieder nur ein Berg von Fischen. Ein grausamer Gestank, doch auf den geplättelten Theken schlafen Frauen und Männer seelenruhig vor sich hin.

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Am Strassenrand schieben sie hohe Metallgestelle voller Baguettes aus einem dunklen Raum. Eine gute Gelegenheit für den Broteinkauf. Während ich auf das Wechselgeld warte, schaue ich mir die Bäckerei an. Ein schwarze Halle voller Mehlsäcke, in der Ecke eine riesige, rostige Knetmaschine, deren Knethaken sich quitschend dreht, im hinteren Teil steht so etwas wie ein Ofen. Kaum zu glauben, dass hier ein so fein duftendes Brot entsteht. Wir müssen grad eine Ecke abbrechen.

Die Busse sind immer vollgeladen, mit Menschen innen, aussen, oben. Auf dem Gepäckträger stapelt sich die Ware bedenklich hoch. Eine Ziege wird auch noch ins Kofferfach geschubst. Wir fahren vorüber an endlosen Mango Plantagen. Was für schöne Bäume, die Früchte hangen an dünnen Stielen zu Dutzenden zwischen den Blättern.

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In Dorfnähe stapeln sich die reifen Mangos in kunstvoll aufgeschichteten Türmen am Strassenrand. Die Frauen sitzen am Boden und warten auf Käufer. Die gelben Früchte schmecken wunderbar. Ich denke an Mangotörtchen, Mangomousse, Mangoconfi, Mangochutney – hier wäre der Rohstoff in Hülle und Fülle vorhanden. Ich staune immer wieder, was die Frauen alles auf dem Kopf transportieren: Wasser, Wäsche, Brennholz, Früchte, Gemüse, sogar einen Fernseher in ein weisses Tuch gehüllt. Stolz und aufrecht, ohne Hektik laufen die Frauen auch ohne Last auf dem Kopf. Sind es die schönen, bunten Kleider, die sie so erhaben daher schreiten lassen? Wunderbare Roben in allen Farben, manche echt balltauglich. Überhaupt sind die Frauen hier sehr schön – eine Augenweide.

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Die Strasse wird immer wieder durch grosse Löcher unterbrochen. Oft ist es besser, auf dem Sandstreifen neben der Strasse zu fahren. Hier müssen wir nur noch den Esel- und Pferdegespannen ausweichen. Kleine Buben, vielleicht sechs Jahre alt, führen die Karren mit Sand oder Gemüse beladen. Ebenso kleine Jungen hüten die Geissen. Die Dörfer sind einfach, manchmal mit den typischen Rundbauten, gedeckt mit dicken Schichten getrocknetem Gras. Oft sehen wir angefangene Häuser, darin wohnen die Leute behelfsmässig, bis sie wieder Geld für die Fortsetzung haben.

Es sind nur noch ein paar Kilometer bis Dakar, der Verkehr zeigt schon deutlich an, in was wir uns da wagen. In den Kreiseln wird vier- oder fünfspurig gefahren, obwohl eigentlich für nur zwei Autos ausgelegt. Doch wir kommen gut voran. Ein dicker Rauch steigt in den Himmel, sie verbrennen Müll gleich neben der Strasse. Die Stadt kann nicht mehr fern sein, alle 50 Meter steht ein bewaffneter Polizist. Dakar besitzt keinen Campingplatz und so nehmen wir etwas ausserhalb einen Bungalow.  Der Taxifahrer bringt uns ins Zentrum, was für ein Verkehr. Da geschieht mir doch tatsächlich das Missgeschick, dass ich ihm die 10fache verlangte Summe zahle. Ich habe mich noch nicht an die vielen Nullen der CFA gewöhnt.  Doch er ist ehrlich und klärt mich auf! Guter Mann. Überall werden wir angesprochen, ob wir in diesen oder jenen Laden kommen. Einer führt uns in ein mehrstöckiges Gebäude, in dem sie Stoffe verkaufen. Das ehemalige Hotel wurde dieser Handwerksgemeinschaft vom Staat überlassen.

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Die Nähmaschinen rattern und die bunten Stoffe fliegen nur so über die Tische. In kleinsten Räumen sitzen drei Männer an ihren Nähmaschinen. Jeder muss über den anderen klettern, wenn er in den Gang will. Wir brauchen neue Badetücher aus Baumwolle, denn die Frotteetücher sind nicht geeignet für unterwegs. Je nach Wasserqualität riechen sie schon am zweiten Tag nicht mehr so toll. Hartes Verhandeln, doch schliesslich stimmt der Preis (obwohl ich denke, dass wir auch das überzahlt haben). Dann noch eine Seitennaht nähen lassen, ein Junge von acht Jahren sitzt an der Nähmaschine. Ich werde aufgeklärt, dass Schulferien sind und sie ihm eine Arbeitsmöglichkeit bieten, statt dass er am Meer herumlümmelt. Wenn das nur stimmt. Urs übernimmt die Qualitätskontrolle, tatsächlich muss noch was nachgenäht werden.

Zu Fuss laufen wir zum Hafen, vorbei an einem einst bestimmt schönen Bahnhofsgebäude.Vorher sind die Züge von Dakar bis nach Mali verkehrt, jetzt ist Stillstand, die Länder sind verfeindet.

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Gleich daneben befindet sich die Fähre zur Insel Gorée mit der traurigen Geschichte der Sklaverei. Dort wurden die Sklaven gefangen gehalten, bevor sie durch die «Tür ohne Wiederkehr» angekettet in finsteren Schiffsbäuchen nach Amerika usw. verfrachtet wurden. Ein Kilo Menschenfleisch gegen zwei Kilo Zucker.  Die Gänsehaut kommt, ohne dort gewesen zu sein. Ich denke lieber vom Festland aus mit Respekt an sie.

Grossartigste Gebäude in Dakar sind der Präsidentenpalast und das Grand Théatre, ein wunderbares Gebäude aus Glas, Marmor und Schmiedekunst. Wer wohl das Geld hat, da einen Abend zu verbringen? Im grössten Feierabendverkehr fahren wir zurück.

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Oft muss am Strassenrand an einem Auto der Pneu gewechselt werden. Die Taxifahrer hören islamische Predigten auf Wolof. Auch im Zentrum haben wir immer wieder Betende, Koran Zitierende gesehen. Ein komischer Anblick, wenn mitten auf der Strasse einer seinen Teppich ausrollt. Die grossen Werbetafeln am Strassenrand zeugen auch von Grossstadtathmosphäre mit 1.8 Mio. Einwohnern. Sonderbare Anzeigen von Lebensmittelherstellern, die einen guten Ramadan wünschen (fast ein bisschen provozierend) oder kann eine Finanzierung Halal sein? Sachen, die wir nicht alle verstehen; wie so manches andere in Afrika.