Grenzerfahrung

Frühe Tagwache, um möglichst rasch die mauretanische Grenze zu erreichen. Oh Schreck, ein Velo ist an unserem Auto angekettet. Alles klärt sich schnell auf: der Nachtwächter hat es angebunden und sich so ein Trinkgeld verdient.

K1024_Velo am Paul

Ein paar letzte Polizeikontrollen und wieder die Frage nach der Fiche. Wir müssen wieder darüber lachen. Als wir das zum ersten Mal gehört haben, meint Urs: was sagt er, will er uns Fische verkaufen? Die Polizisten machen es sich möglichst einfach und verlangen ein Papier mit den Personalien etc., dann müssen sie nicht jedes Mal im Häuschen unsere Pässe abschreiben. Obwohl vorbereitet, habe ich vergessen, die Fiche im Hotel ausdrucken zu lassen. Es muss auch so gehen. Die Militärpräsenz nimmt zu, sie sind mit kleinen Jeeps unterwegs mit ihrem ganzen Hausrat, samt Teppich. Am Strassenrand wartet der Vorgänger mit seinem Gerümpel unter dem Spannnetz bis seine Ablösung eintrifft. Das muss eine harte Strafe sein, hier Grenzwache zu schieben. Komisch sehen sie aus, mit ihren in Turbanen vermummten Gesichtern.

K1024_Ausreise Marokko

Dann die Grenze von Marokko – eine lange Kolonne Lastwagen, einer voller Zwiebeln und eine kleinere Kolonne mit Personenwagen. Es dauert ewig, bis sich die Kolonne in Bewegung setzt. Dann die Passkontrolle, von da zum Polizisten, dann zum Zollbeamten, der nach Waffen und Pfefferspray fragt. Er glaubt uns nicht und droht, das Auto zu scannen, obwohl weit und breit keine moderne Technik zu sehen ist. Zum Grenzbüro, den Autopassagierschein ausstempeln, da gibt’s ein Problem, wir warten und warten. Aha – unser Auto ist zu neu, deshalb müssen sie sich zusätzlich absichern, dass wir wir sind und das Auto nicht gestohlen ist. Er ruft wo an und wartet auf den Rückruf. Ich frage ihn, wo er denn das nachfragen kann – das ist streng vertraulich Madame! Die Büros sehen aus – ein Horror, kaputte Scheiben, überfüllte Pulte, stickige Luft. Nochmals ein letzter Stempel beim Ausreisebüro und wir können durch das Tor fahren. Das hat vier Stunden gedauert.

K1024_Zwiebel LKW und Autos

So sieht also Niemandsland aus. Auf der ca. 3 km langen Strecke bis zur Grenze Mauretanien herrscht das Chaos, ein Autofriedhof, ausgeschlachtete Karosserien, kaputte Fernseher und von einer Strasse nichts zu sehen. Überall suchen sich die Fahrzeuge einen einigermassen fahrbaren Weg über Steinbrocken, Sand und Abfall. Sie ruckeln und schaukeln dahin, der Lastwagen mit den Zwiebeln schwankt bedenklich. Der erste Schlepper ist auch schon da, ok – zahlen wir ihn halt. Im Nachhinein muss ich sagen: Gott sei Dank! Polizisten mit ehemals weissem Turban und Schlarpen halten uns an. Hmeida schleust uns vorbei, doch schon kommt der nächste für die Fahrzeugkontrolle. Urs zieht vorbildlich seine Schuhe aus, doch der Uniformierte lässt sich von nichts abhalten und steigt mit den Stiefeln in unser Wohnzimmer. Alles öffnet er, jede Ecke wird untersucht, Essig, Oel und Honig stellt er auf die Seite. Er muss das einem Kollegen zeigen. Er sucht Alkohol, doch den haben wir ja schon lange ausgetrunken. Ich weiss nicht mehr, in wieviele Büros ich unserem Schleuser nachlaufen und Papiere ausfüllen muss. Und überall kostet es noch dies und jenes. Das Visumbüro ist besonders schlimm. Obwohl wir diese schon im Pass eingeklebt haben, warten wir ewig. Ein Drängeln und Schubsen und natürlich nur Männer. Auf einmal stossen sie alle zum Büro hinaus, schliessen die Türe und lassen nur noch jeden Einzelnen hereinkommen. Im Hof steht ein Topf mit Wasser, da waschen sich einige dreimal das Haupt, die Hände und Arme sowie die Füsse und halten ihr Gebet auf den dort liegenden Teppichen. Der Ramadan wird strengstens eingehalten.
Dann noch die Parkgebühr bezahlen, damit man neben der Strasse halten darf, die Versicherung abschliessen und ein paar Ouguiya wechseln. Wir haben freie Fahrt in Mauretanien.

K1024_Dünen

Wir fahren und fahren, immer auf der Charles de Gaulle Avenue. Die Gegend ist schön, rote Sanddünen, Zelte oder kleine Holzhütten, die wie Strandhäuschen aussehen und in denen die Leute wohnen. Am Strassenrand wird Dromedarmilch verkauft. Die Gegend bis zur Hauptstadt Nouakchott sehr wenig bevölkert. Am liebsten würde ich zwischen den Sanddünen übernachten, doch wir wollen kein Risiko provozieren. Wieviele Male unser Pass durch Polizistenhände gewandert ist, habe ich nicht mehr gezählt. Alle paar Kilometer steht eine Polizei-, Waren- oder Fahrzeugkontrolle, mal nett und mal sehr! überheblich. Da wir keine Fiche haben und sie sich nicht die Mühe machen wollen, alle Details aus dem Pass abzuschreiben, lassen sie uns manchmal passieren, manchmal muss ich sie im Häuschen selbst ausfüllen. Erst beim Eindunkeln erreichen wir Nouakchott und die Auberge Sahara. Ein dürftiges Zimmer mit stickiger Luft, doch immerhin eine Unterkunft. Wir schleppen uns die paar Meter zum Restaurant und essen die erste Mahlzeit heute. Bei mir bleibt vor Müdigkeit der Appetit aus.

In Nouakchott suchen wir die Versicherungsagentur, damit wir diese schon für die Einreise in Senegal haben. Die netten verschleierten Damen drucken uns auch noch unsere vorbereitete Fiche aus, – jetzt sind wir gewappnet für die Kontrollen.

K1024_Chaos-Kreisel

K1024_Metzgerei

Ein Riesenverkehr herrscht hier, ein ganzer Kreisel voll Autos und Leute, alle laufen, fahren, steigen ein und aus. Alle gelben Mercedes sind wohl hier gelandet, doch arg geschunden sehen sie aus. Eine Hauptstrasse durch die Stadt ist geteert, nebenzu sind Sandwege.

K1024_Zelt und Blechhaus

Der Weg nach Rosso an die senegalesische Grenze ist unterhaltsam, immer wieder kleine Siedlungen mit Moschee, braunen Häusern im maurischen Stil oder weisse, kleine Hüttchen mit einem türkisfarbenen Wellblechdach.

K1024_maurisches Haus

Weiter südlich bekommen die Häuschen bunte Farben von violett über gelb bis grell pink.

Bereits auf der Strasse werden wir wegen dem Grenzübertritt belästigt, einmal ist es ein Polizist, ein Auto, das uns stoppt, und dann einer, der vor uns herfährt und uns natürlich abpasst. Er leitet uns schon in die falsche Gasse, nein essen wollen wir nicht, sondern über den Zoll. Gleich sind wir umringt von mindestens 10 Personen, die ihr Geschäft machen wollen. Wir werden handelseinig, obwohl ich jetzt noch nicht weiss, was wieviel gekostet hat. Erst muss ich noch in einem Laden Geld wechseln, da schläft einer auf der Theke. Ja der Ramadan hinterlässt Spuren.

Hinter einem grossen Blechtor ist das Hafenareal, wo sich die ganzen Formalitäten abwickeln. Wir übergeben die Pässe und die übrigen Papiere und hoffen, dass alles klappt. Im Hafen stehen zwei klapprige Fähren, um 15.00 Uhr soll sie losfahren.

K1024_Gärtner

Die Fussgänger und Ziegen haben es einfacher, sie werden mit der Piroge über den Fluss Senegal getuckert. Autos, Lastwagen, Menschen – alle warten. Unterdessen ruft der Imam zum Gebet, ein eiliges Huschen in die notdürftige Moschee. Beim Polizeibeamten muss ich nach ca. eineinhalb Stunden das Gesicht zeigen. Um unser Auto streichen die Jungen umher, hängen in den Scheiben, stützen sich am Rückspiegel (ob Urs das gerne hat???) und schwatzen. Und wir warten. Die Fähre fährt um 16.15 Uhr, wir müssen aufs Schiff. Nein ohne unsere Pässe und Papiere steige ich nicht auf die Fähre. Sie belächeln mich zwar, ja, ja Mama, doch ich bleibe stur. Auf einmal rennt einer daher mit dem noch fehlenden Papier.

K1024_Auf der Fähre

Jetzt haben wir (nur) noch vier Schwarze im Schlepptau, sie verfolgen uns hartnäckig und hoffen auf ein Geschäft auch auf senegalesischer Seite. Zuerst mit den Pässen zur Polizei, nachher ins Visumbüro. Wir haben unser Visum online beantragt, doch erst hier wird das endgültige Visum mit Fingerabdruck und biometrischer Foto ausgestellt. Ein dicker Schwarzer in weissem T-Shirt lässt uns auf den Stühlen gegenüber seinem Pult warten und liest erst mal seine Zeitung. Nach 10 Minuten kommt Urs an die Reihe, er ist erstaunt, dass er nicht französisch spricht. Ich muss ihm das mit unseren Landessprachen erklären, dann wird er etwas zugänglicher. Zwischendurch liest er immer wieder in seiner Zeitung. Wir warten fast eine Stunde, bis wir unseren Pass wieder bekommen. Dann wieder Polizeischalter, dann die Autopapiere, der gibt uns nur ein 72 Stunden Papier, das wir in Dakar innerhalb dieser Frist verlängern müssen. Wo denn, frage ich? Im Hafen! Super Antwort. Mitten im Ausfüllen des Papiers steht er auf, geht ins Büro nebenan und verrichtet sein Gebet. Ich bekomme langsam Vögel. Dann wird unsere Versicherung geprüft, die wir am Morgen abgeschlossen haben. Das ist hier nicht gültig und wir müssen nochmals eine abschliessen und die dreifache Summe zahlen. Ich kann nicht mehr!  Doch ohne geht es auch nicht. Ich muss durch das Tor hinaus, im Gewimmel Geld wechseln. Jetzt bin ich froh, dass der Begleiter doch noch da ist, denn er gibt den Tarif durch und wehrt sich auch noch für die letzten 50 CFA, die der Wechsler nicht herausrücken will. Und dann zahlen wir noch die Schlepper, den Autowascher, der das so grosszügig ohne Auftrag erledigt hat, als wir im Passbüro sitzen und dann noch die letzte Ausreisegebühr auf der Strasse. Ich bin erledigt und will nur noch meine Ruhe haben. Das Ganze Prozedere hat sechs Stunden gedauert und meine Nerven liegen blank.

K1024_Senegal

Da tut das Grün der Reisfelder gut. Eine Herde weisser Kühe überquert die Strasse, Steppengras wächst auf blondem Boden, kreisförmige Hütten mit Strohdächern, bunt gekleidete Frauen – wir sind im richtigen Afrika.