Wiedersehen in Kerala

Wer hätte das gedacht bei unserem Abschied im Mai, dass unser Wiedersehen so rasch und an einem so reizvollen Ort Realität werden wird. Wir geniessen das Zusammensein mit Margrit und Roland in Kochi, feiern Weihnachten kurzärmelig im Garten; nach drei Tagen stösst auch Maja zu uns. Wie oft haben wir schon gemeinsame Reisen und Ferienerlebnisse verbracht, doch so exotisch war es dann doch noch nie. An der Cherai Beach baden wir im handwarmen Wasser, schauen den Fischerbooten nach, die zum Fang ausströmen, schaukeln in den Wellen und verabschieden die Sonne, die am Abend einen rotglänzenden Teppich auf das Wasser wirft.

???????????????????????????????

Les 3 Elephants – unser Zuhause für zehn Tage – ist eingebettet zwischen zwei Gewässern: dem Meer und den Backwaters. Eine idyllische Sicht auf Palmenhaine, darin unsichtbar versteckt die Dörfer, am Ufer gegenüber liegen die ausladenden chinesischen Fischernetze. Die riesigen, spinnennetzähnlichen Gebilde sind ein Vermächtnis der Händler vom Hof Kublai Khans aus dem 13. Jahrhundert.

K1024_DSC04937   +

Gegen Abend werden die Fischer aktiv und senken die Netze ins Wasser für den Crevettenfang. Die alten Holzmasten ächzen bedenklich, nach fünf Minuten wird das Netz wieder hochgezogen. Die Ausbeute ist nicht gross und so senkt und hebt sich der Mast mit dem Netz immer wieder, das in mühsamer Handarbeit. Holzboote paddeln vorbei, zwei Fischer mit ihren Netzen versuchen den Fang im Süsswasser. Amöben und Mikroben würden uns sofort befallen in diesem Nass, doch die Einheimischen paddeln unbekümmert darin.

Kerala ist berühmt für seine Backwaters – ein 900 Kilometer umfassendes, weitverzweigtes Netz von Lagunen, Seen und flachem Schwemmland. Vernetzt ist diese amphibische Welt durch künstliche Kanäle. Seit Jahrhunderten bilden sie für die Einheimischen wichtige Verkehrsadern und sind zugleich auch Badeanstalt und Waschmaschine.

K1024_DSC04949   K1024_DSC05090

Auf unserer Bootsfahrt auf dem Kanal passieren wir üppiges Grün, Häuser mit sichtbaren Spuren der feuchten Hitze verstecken sich im Dschungel, Frauen und Kinder winken, Fischer versuchen ihr Glück im seichten Wasser.

K1024_DSC05115

Wilde Trommelklänge eines Tempelfestes der Hindu dringen mystisch an unser Ohr. Männer in ihren Lunghis (ein langes Tuch zweimal um den Bauch gewickelt) mit nacktem Oberkörper schauen interessiert auf unser Boot. Sie hängen gerade eine meterlange Reihe aus Zeitungspapier verpackte «Riesenfrauenfürze» an einer Schnur auf. Da wird es krachen heute Abend. Es ist überhaupt schön, wie die verschiedenen Religionen friedlich nebeneinander leben. Aus dem Palmendickicht tönt abwechslungsweise der Allah-Ruf des Muezzin, die Trommeln und Böllerschüsse der Hindus und der chorale Gesang und Bet-Singsang der Christen. Alle sind gleich schön.

Wir unternehmen einen Ausflug in die 1.4 Mio. grosse, nahegelegene Stadt Cochin. Die ausgelassene Stadt lockt schon seit mehr als 600 Jahren Händler und Entdecker an seine Küsten. Nirgendwo in Indien findet man eine solche Mischung: auch hier die riesigen Fischernetze aus China, eine 400 Jahre alte Synagoge, uralte Moscheen, portugiesische Herrenhäuser und zerfallende Überreste aus der Zeit Britisch-Indiens.

???????????????????????????????   K1024_DSC05223

Es ergibt sich ein unwirklich erscheinender, einzigartiger Mix aus mittelalterlichem Portugal, Holland und einem englischen Dorf, versetzt an die tropische Malabarküste. Gleich im ersten Stoff- und Sari-Laden, bei Seematti bleiben wir natürlich stundenlang stecken. Nur schon den einkaufenden Inderinnen zuzuschauen, ist ein traumhaftes Bild.

K1024_DSC05147

Vom wirtschaftlichen Zentrum Ernakulam bringt uns eine Fähre zum historischen Teil von Cochin.

K1024_DSC05186

Wir besuchen die ursprünglich 1568 erbaute Synagoge, die 1662 teilweise von den Portugiesen zerstört, doch zwei Jahre später durch die Holländer wieder aufgebaut wurde, als sie Chochin einnahmen. Eine vergoldete Kanzel und aufwändig mit Weidenmustern handbemalte Bodenplatten aus dem chinesischen Kanton ziehen unsere Blicke an. Die Synagoge liegt mitten im Jüdischen Viertel, einer geschäftigen Hafengegend und Zentrum des Gewürzhandels. Unzählige kleine Firmen drängen sich in den alten, verfallenden Gebäuden. In der Luft hängt aromatischer Duft von Ingwer, Kardamom, Kreuzkümmel, Kurkuma und Gewürznelken, die in grossen Jutesäcken auf Käufer warten. In einem Hinterhof werden wir über die Trocknung von Ingwer aufgeklärt, der mit Muschelkalk und Zitrone vermischt zwei Wochen an der Sonne trocknet und dann in grosse Säcke abgefüllt und zum Export bereitsteht. So schön, wirblig, atemberaubend die Stadt und die Begegnungen sind, es strengt die Nase und den Geist sehr an, alle Eindrücke zu verschaffen.

???????????????????????????????   K1024_DSC04941