Souk auf dem Land
Die Magenverstimmung kündigt sich ziemlich rasant an. Urs meint, dass dies der salzige Tee ist, ihm geht es auch nicht so gut. Oder ist es wohl doch das etwas abenteuerliche Impf-Prozedere von gestern? Oder einfach die Hitze von an die 40 Grad im Schatten? Auf jeden Fall brechen wir trotzdem auf Richtung Zagora – und das auf demselben Weg, wie nach Mhamid hin gefahren. Der guide will definitiv zuviel für die begleitete 4×4 Tour durch die Sanddünen des Erg Chigaga. Trotz wenig Touristen bleibt er ziemlich bei seinem Preis, den wir nicht zu zahlen bereit sind. Wir fahren wieder durch die felsigen Wüsten zurück – am Berg sind mit Steinen arabische Schriftzeichen eingelegt. Allah ist mit dir oder in dir – heisst es wahrscheinlich, oder so ähnlich. In Zagora trinken wir wieder einen Tee – diesmal auf der anderen Strassenseite – es ist heiss! Zu beobachten gibt es immer wieder etwas, die vollbepackten Esel, die Sammeltaxis mit ihren Fuhren oben und innen, Männer die sich am Strassenrand herzlich begrüssen und sich zwei Küsschen geben, heute sogar vier – das sind bestimmt sehr! gute Freunde. Frauen tragen ihre kleinen Kinder in einem Wickeltuch auf der linken Seite. Wenn die Kleinen Glück haben, werden sie mit Mutters Tuch oder einem Käppli vor der Sonne geschützt. Im Drâatal wachsen die mehrstämmigen Palmen (wie in Elche). Hier führte auch die ehemalige, alte Karawanenroute von Timbuktu nach Marrakech vorbei. Viele Burgen aus Lehmziegel (allerdings meist schon etwas zersetzt) zeugen noch von Überwachungsaufgaben für diesen wichtigen Durchgang. Vor einem grösseren Ort gibt es immer wieder Polizeikontrollen – manchmal sogar mit Nagelbrettern. Die Polizisten scheinen Order vom König zu haben, die Touristen in Ruhe zu lassen. Alle andern müssen ihre Ausweise zeigen, manche sogar umkehren und wir können begleitet von einer strammen Salutierung und einem netten Lächeln ungehindert passieren. Wenn das nur so bleibt. Oft sind steinige Felder zu sehen, die sich als Friedhöfe herausstellen, etwas erhöhte Steinhaufen sind mit einem spitzigen, flachen, schwarzen Stein markiert, alle gegen Mekka ausgerichtet. Vor der grösseren Stadt Adgz kommen uns immer mehr beladene Lieferwagen entgegen. Tatsächlich vor den Stadttoren findet ein Souk statt. Da müssen wir hin, in dieses Gewimmel an Leuten, die am diskutieren und verhandeln sind. Ein blaugewandeter Berber wird auf mein Silberketteli aufmerksam und preist seine Schmucksachen an. Ja, nachher dann, wenn wir alles gesehen haben, versprochen. Etwas später kommt nochmal einer daher, fragt uns, ob wir die Schweizer sind, die vorher mit dem Berber gesprochen haben. Er bittet mich, für ihn einen Brief an befreundete Berner zu schreiben. Ok – wir kommen wirklich nachher vorbei.
An einfachsten Verkaufsständen, unter einem Tuch mit Holzstecken befestigt, oder sogar auf dem Boden auf einem Tuch ausgebreitet findet man alles zum Leben: vom «Billigen Jakob» (wie vor 50 Jahren am Jahrmarkt von Altstätten – nur verstaubter und versandeter), über Gemüse, Orangen, gefärbte Schafwolle (zum Teppichweben) zum Geschirr, Tajine-Ofen, Küchenutensilien, Sicheln für Rechts- und Linkshänder, Medizinalkräutern (sogar unsere Flechten bieten sie an als Gewürz für die Tajine). Urs kauft beim Eisenwarenhändler zwei Mega-Heringe aus Armierungseisen für unser Sonnendach und eine Gaskupplung.
Schliesslich landen wir beim Berber und er ist so froh, dass ich an Simon und Anna aus Bern einen Dankesbrief schreibe für die Geschenke, die sie ihm geschickt haben. Vor allem sein Grossvater ist sehr glücklich über seine neue Sonnenbrille. Ich muss sie zur Hochzeit seiner Schwester Fatima im November einladen. Im Gespräch kommt heraus, dass Omar von Mhamid stammt – also dort wo wir herkommen. Schade, dass wir ihn erst jetzt kennenlernen, er wäre bestimmt ein guter Führer gewesen. Zweimal muss ich ihm den Brief vorlesen, natürlich wieder in französisch, was ich in deutsch niedergeschrieben habe.
Er strahlt. Frischen Pfefferminztee bekommen wir auch noch, den Zucker schlägt er mit einem Glas vom riesigen Zuckerstock ab. Der andere Berber öffnet seine Schatulle mit den archaischen Schmuckstücken, die in Handarbeit von den Nomaden hergestellt werden. Na klar, können wir nicht widerstehen, er begreift zwar nicht, dass wir nicht auch noch unsere Kinder und unsere Eltern beschenken. Berber haben einen sehr kleinen Magen, deshalb brauchen sie fast nichts und sind mit sehr wenig Geld zufrieden. Allerdings will er dann doch genug für unsere zwei Schmuckstücke in Altsilber – die voie lactée und l’homme libre. Zähe Verhandlung – er meint, ob ich wohl eine Berberfrau bin, doch schlussendlich sind beide zufrieden und sie bedanken sich für die Geschäfte, das Briefeschreiben mit der Hand aufs Herz: be-slama und Insch’allah.
Liebe Wüstenfüchse, lieber Urs, Röby meint, du sollst bei deiner Fahrt bitte nicht allzuviel Sand aufwirbeln, da wir mit dem Saharasand im Moment genug zu kāmpfen hātten… Herzlichst Esther & Co…
Liebe Esther, lieber Röby
Ja der Sand – davon können wir ein Lied singen. Heute ist Grossputzete und wir haben unsere Betten wieder entstaubt. Wir schauen also, möglichst wenig Sand aufzuwirbeln, damit ihr nicht noch einen Sändelikasten bauen müsst (damit das restliche Bauvorhaben nicht in Verzug gerät).