Erg Chebbi

Anfang Juni …. ein nachdenkliches Datum, denn ab jetzt gehört unser Haus defintiv nicht mehr uns. Es stimmt mich schon ein bisschen traurig. Urs hat schon alles abgehakt, doch ich denke noch oft daran. Am Morgen erledige ich in der etwas kühleren Réception die Mails – für mich immer schön, wenn jemand schreibt, damit ich mit der Welt verbunden bleibe.

Wir haben eine Fahrt durch abgelegenes Gebiet nach Merzouga gebucht. Fast pünktlich kommt der Chef daher, heute in blauem Kaftan. Weil es auf Reisen geht? Draussen wartet der Driver mit dem Mitsubishi  4×4 – eine schon etwas herunter gekommene «Gurke». Die Fahrt geht auf einem 4×4 Track durch eine schwarze Steinwüste, dazwischen wieder rote Erde, eine Riesenweite. Es windet recht stark und wegen dem wirbelnden Sand ist die Sicht ziemlich schlecht. Wir fahren und hoppern über die Piste – den Vordermann immer schön im Auge.

4x4 Track

An einer Ausgrabungsstelle halten wir. Hier bauen sie «schwarzen Marmor» mit Versteinerungen von Schnecken und langen Muscheln ab. Daraus entstehen Lavabos, Tische und Schmuck, die sie so zurechtschneiden, dass die Versteinerungen besonders schön zur Geltung kommen. Überall im schwarzen Gestein sind wieder Versteinerungen zu entdecken. Am liebsten würde ich da den Tag verbringen und auf archäologischen Spuren wandeln. 350 Mio. Jahre sollen diese Schönheiten alt sein. Die Gegend verändert sich, die Steine wechseln sich mit Sand ab, Urs und Paul machen ihre Sache bestens – mein Ding wäre es nicht, über Stock und Stein zu fahren. An einer Nomadensiedlung halten wir erneut. Wir können einen Blick in die Küche werfen. Etwa einen Quadratmeter gross, mit Schilf eingemacht, ein kleines Oval als Ofen, die Glut ist noch heiss vom Brot backen. Daneben nochmals eine Feuerstelle für die Tajine – das wärs dann. Im Beduinenzelt, auf der Frauenseite, bekommen wir heissen, süssen Tee. Wir sitzen am Boden auf Berberteppichen, über uns das dicht gewobene, dunkelbraune, wasserdichte Tuch aus Kamel- und Schafhaar, hinter uns zum Anlehnen ein paar Kissen und Tücher. Die Wolle beisst durch meine Bluse hindurch. Die Frau sitzt uns gegenüber, in ein buntes Tuch gehüllt, mit rosarotem Lippenstift. Soweit sind sie also doch nicht weg von der Zivilisation.

Berberzelt

Die Nomaden ziehen jeweils weiter, wenn ihre Dromedare  – hier sind sie mit ganz dunklem Fell – alles abgegrast haben. Viel Nahrung ist allerdings nicht zu sehen. Die Berber leben von den Teppichen, die sie weben und/oder sticken, von der Wolle der Dromedare und Schafe in einer wirklich kargen, unwirtlichen Gegend. Kein anderes Haus weit und breit. Langsam sehen wir am Horizont die roten-gelben Dünen des Erg Chebbi. Eine Sanddüne nach der anderen. Immer wieder ist eine Fata Morgana in einiger Entfernung zu sehen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich voller Hoffnung auf Wasser dahin marschieren würde und dann nichts – ich bekäme die Krise. Immer öfter kommen nun zwischen den Stein- auch Sandpisten. Paul muss recht arbeiten, manchmal im ersten Gang! Die Gegend verändert sich laufend, auf einmal werden die Steine grünlich. Man meint, in der Weite Gras zu sehen, doch alles sind nur Steine.  Auf den Hügeln haben sie militärische Festungen platziert, die Grenze zu Algerien ist nicht mehr weit, sicher ist sicher. Vor ca. zwei Wochen regnete es noch ziemlich heftig, verkrustete Oberflächen sind immer zahlreicher vorhanden. Sie kommen mir vor wie riesige Flächen von überdimensionierten Schokoladenspänen aus hellbrauner Milchschokolade. Ein schönes Bild. Ich überlege gerade, wie viele tausende Schwarzwäldertorten das geben würde – und da geschieht es: unser Vorfahrer weiss nicht, welchen Weg er nehmen soll, hält an und wir stecken im Sand fest. Na super. Einige Versuche später kann uns nur noch der Haschi-Ken retten, die von Urs wohlweislich unter dem Auto platzierte Schaufel ist auch nicht weit und kommt zum Einsatz. Heftiges Beraten – alle vier Männer stehen vor der Misere, schaufeln, versuchen vor- und rückwärts.

Abgesoffen

Irgendwann ist es dann geschafft und Paul ist befreit! Sie lachen und meinen, dass das jeden Tag vorkommt (wenn sie überhaupt Touristen haben). Wir kommen uns nämlich vor, wie die Einzigen unterwegs. Auf fast allen Campingplätzen sind wir allein und auch sonst treffen wir kaum jemanden. Natürlich bringt uns unser guide zu einem Camping in Merzouga, den er kennt. Alle machen Geschäfte wo sie können. Am Fusse des Erg Chebbi mitten in einem Palmenwäldchen übernachten wir und freuen uns auf die Tajine zum Abendessen. Allerdings ist diese dann etwas gewöhnungsbedürftig – mit zähem Fleisch am Knochen! Am Abend kommt ein Sandsturm auf, der unser Lager durchschüttelt und uns eine unruhige Nacht beschert. Unter diesen Umständen brechen wir am nächsten Morgen auf, nachdem wir unseren gelben Leintüchern wieder zur Ursprungsfarbe verholfen haben. So ein Staubsäugerli wäre jetzt wirklich praktisch!