Medina von Fès

Wir schlafen sehr gut – in unserer ersten Nacht in Afrika. Erstmals tropft es auch nicht vom Fensterrahmen über unserem Kopf, die Luft muss trocken sein.

Los geht’s auf der gelb markierten Strasse, vorbei an vielen Korkeichen. Am Strassenrand haben sie mehrere Lagen wie Ziegel aufeinander geschichtet. Im Bachbett wachsen rote Oleanderbüsche, immer wieder sind Hirten oder bunt gekleidete Frauen mit Geissen, einer Kuh oder einem Pferd am Hüten. Auch viele Esel überholen wir – davon gibt es fast so viele wie Mercedes. Alte Männer stecken in beigegestreiften oder braunen Kutten mit Kapuze, aus derbem Stoff gewoben. Sie erinnern an Zwergli oder Mönche. Mit 30 km/h keucht Paul den Berg hinauf, wir sind auf dem Weg von Chefchaounen ins Rif-Gebirge. Eine sehr grüne, bewachsene Gegend.

Blühender Dill

Immer wieder sind Bauersleute unterwegs, die Frauen tragen Strohhüte mit farbigen Pompons an der Krempe und eine bunte Stoffbahn über ihren Kleidern. Sie scheinen mehrere Schichten an Kleidungsstücken anzuhaben. Unsere Strasse ist sehr schlecht (eben gelb!), immer wieder Löcher. Irgendwie erwartet man, von diesem Feldweg demnächst in eine Hauptstrasse abbiegen zu können, doch das ist die Hauptstrasse.

In einem Dorf machen wir Halt für einen Tee, werden dort natürlich von allen Seiten beguckt, mit der Hand begrüsst und nach unserem Befinden gefragt. Keine Frau in diesem Strassencafé …..! Zum Glück habe ich eine langärmelige Bluse an.

Dann der atemberaubende Blick auf Fès – eine Stadt mit 1 Mio. Einwohnern.

Blick auf Medina (2)

Ob wir da den Weg finden? So kommt es dann auch heraus. Unser Navi führt uns in enge Gassen, aus denen es fast keinen Ausweg mehr gibt, in Einbahnstrassen usw. Leicht genervt nehmen wir das Angebot eines Töfflifahrers gerne an, uns zum Camping International vorzufahren. Natürlich will er uns noch eine Tour in der Medina andrehen – sein Vater ist offizieller Fremdenführer, spricht deutsch, sie sind eine arme Familie und leben davon und so weiter und so fort – ok, kann ja so schlecht auch nicht sein. Wir verhandeln den Preis und buchen für den nächsten Tag um 10.00 Uhr.

Pünktlich ist er da! Und der Fahrer und Führer Abdullah kommt auch schon, allerdings ist es nicht sein Vater und er hat nochmals ein Paar im Auto. Das haben wir so nicht vereinbart, doch dafür spricht er perfekt deutsch.  Er zeigt uns die grosse Freiluftmoschee, in der 20.000 Leute beten, wenn Ramadan ist, das grosse Hammelfest stattfindet (am Ende des Ramadans) oder wenn lange kein Regen fällt. Von hier oben ist eine herrliche Aussicht auf die Medina von Fès, die grösste autofreie Altstadt der Welt. Ein Labyrinth von Gassen, Türen, Toren, Suks, Essständen, Leuten und Eseln. 150.000 Fassi leben hier – man sagt, wer hier geboren wird, ist gebildeter, religiöser (…. und wahrscheinlich auch näher bei Allah). Davon zeugen auch die 40 Moscheen (die leider nur Moslems betreten dürfen). Fès gilt als die religiöse Hauptstadt. Auch das älteste Handwerkerviertel ist in der Medina beheimatet. In einem engen Schlauch wärmt ein Schmied an einer Esse sein Eisen, an Handwebstühlen wird die Agave-Seide verarbeitet, in den Gerbereien stinkt es wie die Pest, doch mit einem Minzezweiglein ist der Geruch etwas länger auszuhalten. Ziege und Dromedar sollen das beste Leder abgeben. Am Morgen bringen Bauern die Häute der Tiere; zur Verarbeitung werden sie in riesige Bottiche gesteckt, die mit Amoniak, Taubendung und Asche gefüllt sind. Die Arbeiter tragen Handschuhe und Gummistiefel, sie arbeiten nur halbtags, da alles zu giftig ist. In Bottichen nebenan werden die Häute gefärbt – hier mit Naturstoffen wie Indigo, Safran, Zedernholz oder Klatschmohn. Neben diesem Jahrhunderte alten Verfahren gibt es ca. 50 weitere Gerbereien in Fès, die jedoch maschinell gerben und die Häute mit Chemikalien färben.

Färbe-Bottich

Immer wieder muss man sich auf die Seite drücken, wenn ein schwer beladener Esel vorbeikommt. Ein buntes Gewimmel, arabische Rufe, Leute, die an Essständchen halten und ein Schüsselchen Kichererbsen verdrücken. Irgendwie surrt der Kopf über soviel fremdem Eindruck. Obwohl wir Abdullah mit Nachdruck darauf hingewiesen haben, dass wir beide – das österreichische Paar und wir – nichts kaufen möchten, sind wir dann doch mit einer Tajine, einem Teppich (die Wiener) und zwei Sommerdecken für die Betten (wir) aus der Medina zurückgekehrt. Zum Glück ist unser Platz im Auto schon gefüllt, ich hätte auch nicht widerstehen können. Immerhin wissen wir nun den Unterschied von einem Berber- und einem Araber-Teppich – für nächstes Mal.