Vom Südpazifischen zum Indischen Ozean

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Alles gepackt, verstaut, aufgetankt – die Reise kann losgehen. In letzter Minute haben unsere Freunde Maria gefunden, welche das house-sitting (inklusive Hühner) für die nächsten Wochen übernehmen wird. Das ist eine gängige und bekannte Beschäftigung in Australien. Wir haben schon Leute getroffen, die von Ort zu Ort reisen, immer wieder ein Haus hüten und dann weiterziehen. So sind sie unterwegs, haben ein Dach über dem Kopf und je nach Anzahl der Haustiere verdienen sie noch etwas.

Die Wiesen grünen frühlingshaft, Rinder mit prallen Bäuchen freuen sich, Schafe stechen wie weisse Wollknäuel hervor. Um halb zwölf schon der erste Halt? Oh Schreck, der Kühlschrank von Fredl hat den Geist aufgegeben. Was nun? – der Kühlschrank ist bis oben voll mit Fleisch. Kurz vor Ladenschluss können wir per Telefon einen neuen Kühlschrank an unserem Tagesziel in Dubbo bestellen. Was für ein Bild: in der Einfahrt des Hauses wird der alte Kühlschrank ausgeräumt, der neue auf den Auszugwagen verfrachtet – und er passt genau – und der kostbare Vorrat wieder eingepackt. Am Abend feiern wir mit unserem Lampion 1. August, nur mit dem Text vom «Morgenrot» haben wir etwas Mühe.

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Die ersten Tage, resp. vor allem die Nächte sind bitterkalt. Wenn sich eine Eisschicht am Aluminiumrahmen unseres Dachfensters bildet, müssen wir uns tief unter die Decke verkriechen.

In fünf Reisetagen erreichen wir Coober Pedy – die Welthauptstadt der Opale.

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Überall häufen sich weissliche Hügel, daneben die Abbaumaschinen. Die 3500 Einwohner zählende Stadt lebt vom Opal-Geschäft. Viele Läden, Restaurants, Hotels, Häuser befinden sich in Höhlen im Untergrund, denn im Sommer steigen die Temperaturen hier draussen auf über 50 Grad.

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Am Wegweiser zum Anne Beadell Highway wird vor der schwierigen Strecke gewarnt. Gute Fahrtechnik, kein Diesel für 750 Kilometer, genügend Wasser und Lebensmittel müssen mitgeführt werden. Kein Problem – das ist alles dabei.

K1600_DSC02460K1600_DSC02455K1600_DSC02464K1600_DSC02480Anne Beadell Highway – das soll ein Highway sein? Das Feldweglein ist autobreit, mal sandig, mal steinig. Doch der einzige Weg von Ost nach West führt hier durch. Wir fahren dem Dog Fence entlang. Dieser Zaun wurde über 6800 Kilometer von Ost nach West errichtet, um die Schafe, die im Süden weiden von den wildernden Dingos zu schützen. Jetzt weiden im Norden die Rinder und im Süden die Schafe. Es ist herrlich, irgend an einem schönen Plätzchen das Nachtlager aufzuschlagen, ein Lagerfeuer zu entfachen und in der Freiluftküche zu kochen.

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Am Morgen warten wir gerne noch ein bisschen unter der Bettdecke, bis die Sonne hervorkommt. Brrhhh ist das kalt. Zum Glück wärmt die Sonne schnell. Fredl wird der Toastbrater zum Morgenessen. Herrlich warme Toasts mit Käse und Schinken aus dem Toasteisen, – es tut gut, etwas Warmes im Magen zu haben.

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Die ersten Spinifex Gräser ziehen Kreise, Spiralen, Halbmonde – man meint durch einen Barockgarten einen französischen Schlosses zu fahren. Der Weg wird so schmal und eng, dass wir trotz eingeklappter Rückspiegel immer wieder Büsche streifen. Erst am Abend sehen wir, dass die ganze Box voll schwarzer Raupen ist. Urs muss zuerst aufs Dach steigen und die Viecher einsammeln, bevor wir die Fenster öffnen können.

Oh je, jetzt beginnt die Wellblechpiste. Ein unglaubliches Gerumpel und Geklapper, ein Wunder, dass Paul keine Schrauben verliert. Man fühlt sich auf einem ausser Kontrolle geratenen Massagestuhl und der off-Schalter ist nirgends zu finden. Selbst die vermeintlich festen Körperteile wabbeln wie Pudding. Eine Tortur für Mensch und Maschine. Wir passieren die Grenze zu Westaustralien, müssen unsere Uhr eineinhalb Stunden zurück stellen und befahren nun das Land der Spinifex People (ein Aboriginal Stamm).

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Was für eine schöne Frühlingspracht von Blumen in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Es ist nicht zu fassen, dass solche Schönheiten auf diesem kargen Boden spriessen können. Leere, rostige Fässer am Wegrand sind Überreste der Zeit, als es für die 1300 Kilometer lange Strecke noch keine Tankmöglichkeit gegeben hat. Man hatte keine andere Wahl, als den Treibstoffbedarf vorzubestellen und die Fässer wurden am Wegrand irgend an einer Kreuzung mit dem Namen deponiert.

Wir sehen tagelang keinen Menschen, kein Fahrzeug – nur Kamele, tote und lebendige.

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Eine Herde der Wüstentiere, die Jungen beschützt in der Mitte platziert, guckt uns in sicherem Abstand entgegen. Oder es galoppiert ein verzotteltes altes Kamel vor unserem Auto her und lässt sich durch nichts von seinem Weg abhalten, bis weisser Schaum von seinen zitternden Nüstern schlabbert. Ein Hase, ein Ding, kleine und grössere Echsen kreuzen unseren Weg.

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Es erstaunt immer wieder wie grün die Wüste ist. Was auf diesem kargen, sandigen oder steinigen Boden doch alles wächst. Auch wenn es oft nur die stacheligen Spinifex Gräser sind. Weisse dünne Stämme der Eukalyptusbäume glitzern in der Morgensonne. Wehende Gräser geben den Eindruck eines Kornfeldes. Es folgt eine ziemliche Steinwüste mit ausgewaschenen Löchern. Wenn diese von weitem sichtbar sind, ist alles halb so schlimm. Bei den verdeckten wird Paul zum Überflieger und die Landung ist dann für alle recht unsanft. Ein ausgetrockneter See ist übersät von filigranen, lila-rosa Blümchen – ein richtiges Blumenmeer.

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Die Blümchen sind so klein und winzig, dass sie einer farbigen Decke gleichen. Die Gegend wird wieder flach – so flach und weit, dass die Erdkrümmung sichtbar ist.

Und dann irgendwo im nowhere versagen die Bremsen. Der Fuss von Urs versinkt im Nichts. Das Rad wird abmontiert, überall klebt Öl, die Bremsleitung beim hinteren linken Rad ist weggerüttelt worden. Oh je, die Fahrt muss weitergehen, von nun an mit Motoren- und Handbremse. Die Bäume und Büsche säumen den Weg links und rechts, wo soll man zuerst hinschauen? Und schon knallt es und wir haben einen weissen Eukalyptusast gestreift und weggefahren. Der 15 Zentimeter dicke Ast hinterlässt eine dicke Beule an der Kante der Aluminumverstärkung unserer Campingbox. Der dritte Fall an diesem Tag: Urs entdeckt beim Prüfen der Stossstange, dass acht von zehn Schrauben weg vibriert sind. Mit einem Spanngurt wird sie fixiert und wir hoffen, diese die nächsten Tage nicht zu verlieren. Wenigstens wird das zweite gebackene Brot perfekt. Jetzt haben wir wieder Frühstück und Mittagessen für zwei Tage.

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Auch am Abend ist die Weite grenzenlos, die funkelnden Sterne reichen bis zum Boden. Als erstes ist das Kreuz des Südens sichtbar, bevor all die anderen glitzernden Sterne auftauchen. Die Milchstrasse ist ein Highway am Himmel, breit und gross. Schade, dass wir die Wunder des Sternenhimmels nicht beim Namen kennen und keinen besseren Feldstecher dabei haben.

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In der Aboriginal Kommune Kunawaritji tanken wir Diesel für 3.40!! auf. Nach einigem Hin und Her ist der Mechaniker gefunden, der Paul flicken kann. Es ist derselbe, den wir vorher im Laden komisch angesehen haben, er wird das schon richten. Wir können in die Werkstatt aus Wellblech fahren und auf ihn warten. Erst muss er sich einen Gabelschlüsselsatz ausleihen, dann an einem Abbruch-Auto eine Bremsleitung demontieren und nach kurzer Zeit fährt er in seinem rostigen, roten, nummernlosen Toyota wieder vor. Und dann sieht man nur noch Beine und ein emsiges Hantieren unter dem Auto.

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Zum Glück verkaufen sie im Laden auch Bremsflüssigkeit, so kann der Bremstest erfolgen. Und es tut! Kaum zu glauben.

Der Weg durch die Wüste geht weiter. Viele Stellen sind von Buschbränden gezeichnet, die abgestorbenen schwarzen Äste ragen ins Nichts und in der Mitte davon wächst junges, kräftiges Grün. Zahlreiche Pflanzen werden nur durch einen Brand wieder zu neuem Leben erweckt, wenn die Samenkörner in der Hitze des Feuers neu keimen können.

Nach 14 einsamen Tagen in der Grossen Victoria Wüste, der Gibson Wüste und der Grossen Sandy Wüste erreichen wir die Eighty Mile Beach an Indischen Ozean. Türkisblaues Wasser und ein knallblauer Himmel – was für Farbnuancen nach tagelanger Fahrt im roten Sand.

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Wir gönnen unseren Füssen den Spaziergang im Sand, waschen unsere Wäschesäcke leer und lassen uns minutenlang unter dem Duschregen einweichen.

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